Der Berliner Anwalt Reiner Geulen prozessiert seit 1994 für eine friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide
Von Andreas Fritsche
Die Uhrzeit des Pressetermins und der Redaktionsschluss des ND brachten es mit sich: Ich musste meinen Sohn mittags aus dem Kindergarten abholen und mitnehmen in die Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger. Die Kanzlei vertritt seit 1994 Gegner des geplanten Luft-Boden-Schießplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide. Benedikt Schirge von der Bürgerinitiative Freie Heide lud ein in die Büros der Anwälte in der Berliner Schaperstraße, zwei U-Bahnstationen vom Zoo entfernt. Anwalt Geulen erläuterte hier seine Sicht der Dinge, bevor am Tag darauf der Petitionsausschuss des Bundestages einen Beschluss im Sinne einer friedlichen Nutzung der Heide fassen sollte.
Ein wichtiges Thema. Das musste am nächsten Tag unbedingt ins Blatt. Also rein in die Kanzlei, die erwartet nobel möbliert ist. Auf dem Korridor eine Skulptur, und auch auf der Toilette eine – dort ist es ein kleiner Elefant, von einer Lampe angestrahlt. Alles ist mit Stil, aber sicherlich auch mit viel Geld arrangiert. Mich plagte schon auf der Treppe die Sorge, es könnte gerade in einem solchen Umfeld befremdlich wirken, wenn einer der Journalisten mit seinem Sohn auftaucht. Doch alle reagieren nett. Geulen selbst wechselt einige freundliche Worte mit dem Kind, lässt für alle Getränke hereinbringen und beginnt dann mit seinen Ausführungen zur jüngst eingegangenen schriftlichen Urteilsbegründung in Sachen Seehotel Ichlim gegen die Bundesrepublik. »Das Gericht hat nicht entschieden, dass da kein Bombodrom hin darf«, räumt Reiner Geulen ein. Aber: die Bonner Hardthöhe machte »schwerwiegende Fehler« bei ihrem bislang immer gescheiterten Versuch, das Bombodrom in Betrieb zu nehmen. Sie berücksichtigte nur den Lärmpegel auf dem Übungsplatz selbst und kümmerte sich nicht darum, was es für die Anlieger bedeutet, wenn Tiefflieger in nur 150 Metern Höhe über ihre Anwesen donnern. »Absurd« sei die Behauptung des Ministeriums, außerhalb des Bombodroms gebe es überhaupt keine erheblichen Lärmbelästigungen. Von einem törichten Vorhaben der Bundesregierung spricht der Anwalt.
Reiner Geulen und Remo Klinger sind beschlagene Experten des Umweltrechts. Ihre Kanzlei vertrat Naturschutzverbände, die in Dresden lieber einen Tunnel unter der Elbe wollten als die umstrittene Waldschlösschenbrücke. Sie prozessierte gegen Atomanlagen wie den Schnellen Brüter Kalkar, die Brennelementefabriken Hanau und das Atomkraftwerk Krümmel. Im Verfahren zum atomaren Endlager Gorleben wirkte sie für Andreas Graf von Bernsdorff, den Eigentümer des Salzstockes, in dem das Endlager errichtet werden soll. Auch im Streit um das Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter mischte die Kanzlei mit. Sie kümmerte sich um die Interessen erkrankter Radartechniker der Bundeswehr und der NVA und um die Belange von Menschen, die sich beim ICE-Zugunglück von Eschede verletzt hatten.
Als »Behördenschreck Nummer eins« ist der in Westdeutschland aufgewachsene Rainer Geulen tituliert worden. Dabei hätte er selbst eine Verwaltung leiten können. Einst war er als Minister einer rot-grünen Regierung in Niedersachsen im Gespräch. Beide Seiten sollen bei dem früheren Führungsmitglied des Sozialistischen Studentenbunds (SDS) vorgefühlt haben. Im rot-grünen Berliner Senat von Walter Momper hätte Geulen 1989 das Umweltressort übernehmen können. Er überlegte seinerzeit ernsthaft und lehnte diese Offerte dann genauso ab wie andere Anträge, doch in die Politik zu wechseln. Weggefährten entschieden anders, allen voran Otto Schily, der erst zum grünen Bundestagsabgeordneten und schließlich zum sozialdemokratischen Bundesinnenminister avancierte. Die Kanzlei Geulen & Klinger geht auf die Anwaltssozietät Schily, Becker & Geulen zurück.
Inzwischen könnte sich Reiner Geulen zur Ruhe setzen. Eins steht jedoch fest: Solange es für die Kyritz-Ruppiner Heide keinen Frieden gibt, will er dies nicht tun – und wenn er sich mit 80 Jahren noch die Robe überwerfen muss.
URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/150988.alles-was-recht-ist-gegen-das-bombodrom.html (ND vom 23. Juni 2009)